Bericht: Fortbildung in Helsinki: Wie finnische Schulen mehr Wohlbefinden in den Klassenraum bringen

Im Mai hatten wir, Frau Claßen und Frau Zöllner, die Möglichkeit, über ERASMUS+ an einer Fortbildung zum Thema “Der finnische Ansatz für mehr Wohlbefinden im Klassenraum” in der finnischen Hauptstadt Helsinki teilzunehmen. Vormittags gab es ein Kursprogramm, der
Nachmittag war frei, um die Stadt und die finnische Kultur zu entdecken.

Zum Einstieg lernten wir das finnische Schulsystem näher kennen, welches flächendeckend Gesamtschulen hat. Erst nach Abschluss der Grundbildung müssen die Schüler*innen wählen, ob sie in die allgemeine Oberstufe oder die berufsorientierte Oberstufe gehen möchten. Die Wahl eines der beiden Zweige ist verpflichtend, das System ist jedoch durchlässig und ein Wechsel zwischen beiden Arten ist jederzeit möglich.
Im Schulsystem gibt es keine Sackgassen. Es ist jederzeit möglich, seinen Bildungsweg weiter fortzuführen – auch dadurch, dass das gesamte Bildungssystem, inklusive Studium, kostenfrei ist.
Wir erhielten ebenfalls Einblicke in den Bildungsweg von Lehrer*innen. Verschiedene und immer wieder wechselnde Prüfungsformate helfen, passende Lehrkräfte einzustellen. Dazu gehören Formate, die dem uns geläufigen “Assessment Center” ähneln. Ebenso gibt es
kreative Aufgaben, die teils alleine, teils in Gruppen gelöst werden.

Allgemein fußt das finnische Schulsystem auf Vertrauen gegenüber den staatlichen Schulen und den Lehrkräften. Kinder werden den Schulen in der Regel nach dem Wohnort zugeteilt, Lehrkräfte haben viel Freiräume in der Ausgestaltung des Unterrichts und zentralisierte
Prüfungen gibt es bis zur Abschlussprüfung nicht. Dieser Ansatz dürfte bereits dazu beitragen, Stress zu reduzieren.
Seit etwa 10 Jahren versucht man, in Finnland einen schülerzentrierten Ansatz zu verfolgen. Dieser hat zwar zu Beginn schlechtere PISA-Resultate mit sich gebracht, sorgt jedoch allgemein für mehr Wohlbefinden, da nicht nur das Fachwissen eine Rolle spielt, sondern
Schüler*innen auch soziale Fähigkeiten vermittelt werden. Selbstständigkeit spielt in der finnischen Bildung eine große Rolle.

Wie wird das im Konkreten umgesetzt? “Positive Education” ist ein wichtiger Pfeiler in der finnischen Bildung. So lernten wir in der Woche kennen, wie man Schüler*innen in ihren Fähigkeiten bestärken kann, ihnen mehr Selbstvertrauen vermitteln kann und wie die mentale Gesundheit in finnischen Schulen eine Rolle spielt. Mit Hilfe von Stärkekarten durften wir unsere eigenen Stärken herausfinden und überlegen, wie diese uns im Alltag weiterhelfen. Ebenso gestalteten wir einen “Positive CV”, der uns die Vorteile unserer
Stärken in verschiedenen Bereichen des Alltags aufzeigte.
Weiterhin führten wir selbst Achtsamkeitsübungen durch und durften ausprobieren, wie Fidgettoys wie Seifenblasen, Windräder, Knetfiguren oder Ausmalbilder dabei helfen, sich auf den Moment zu konzentrieren. Außerdem lernten wir kennen, wie eine schöne
Erinnerung und die Fünf-Finger-Methode bei Angst und Nervosität dabei helfen können, sich zu beruhigen.

Tag 3 stand unter dem Motto “Bewegung”. Wir lernten kennen, wie man im Klassenraum mehr Bewegung unterbringen kann. “Brain Break Cards” ließen uns zur Auflockerung durchs Zimmer hüpfen, Praxisbeispiele für einen bewegteren Klassenraum wurden gezeigt und bei
einem Dialog-Spaziergang durch die Stadt durften wir paarweise intensive Gespräche führen. Für einige Methoden sollte Geduld mitgebracht werden, da sich die Etablierung von Bewegung im Unterricht zum Teil zu Beginn als schwierig erweisen kann.

Zum Abschluss des Tages besuchten wir die Bibliothek “Oodi”, finnisch für “Ode”. Dabei waren wir besonders beeindruckt vom Maker Space, in welchem Bibliotheksnutzer*innen die Möglichkeit haben, für geringe Materialkosten Maschinen wie 3D- und Posterdrucker, Nähmaschinen, Plotter und Textilpressen sowie kleine Tonstudios zu nutzen. Außerdem gibt es diverse Gaming-Räume mit den aktuellen Spielekonsolen und Musikinstrumenten zur Ausleihe. Im Kinderbereich der Bibliothek gibt es eine große Spielecke, mitten in den
Räumlichkeiten befindet sich ein Café und allgemein ist Oodi mehr ein Ort, in dem Lernen erlebt werden kann, im Gegensatz zum klassischen Bild der stillen Bibliothek. Trotz des wilden Trubels kann man jedoch auch konzentriert und in Ruhe arbeiten, denn das gesamte
Gebäude ist lärmgedämmt.

Am Donnerstag lernten wir die “4 Cs” (collaboration, critical thinking, creativity, communication) kennen, ebenso deren Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten in der Schule. Kreatives Arbeiten konnten wir selbst durch gemeinsame kreative Projekte erproben.
Die Vorteile des “Growth Mindset” wurden uns nähergebracht, sodass uns bewusst werden konnte, dass sich Fähigkeiten und Stärken immer weiterentwickeln können und uns damit wachsen lassen. Dazu machten wir auch einige Übungen, die verdeutlichen, dass wenn Ziele klar sind, es einfacher ist, diese zu erreichen. Dieser Ansatz ist ebenfalls für die Schüler*innen von großer Wichtigkeit, da diese oftmals ihre Stärken nicht kennen oder nicht wissen, wie sie diese sinnvoll nutzen können (z.B. für Berufe).
Verschiedene Methoden der Gruppenarbeit wurden ebenfalls vorgestellt, ebenso Apps, die diese erleichtern können.

Danach wurde das “phenomenon based learning” vorgestellt, welches ein lernerzentrierter, multidisziplinärer Unterrichtsansatz ist, der auf der Untersuchung und Problemlösung durch die Schüler*innen beruht.

Zuletzt hatten wir Zeit, alles Gelernte auf die eigene Schule zu projizieren. Dazu erstellten wir einen Plan, in welchem die Ziele und Wünsche notiert wurden und wie wir diese mit der Ausgangslage der Schüler*innen erreichen können. Am Freitag wurden die Pläne für die verschiedenen Schulen vorgestellt. Wir konnten Feedback und weitere Ideen erhalten, um die eigenen Pläne weiterzuentwickeln und
wiederholten die Inhalte der Woche, da sich diese in den Präsentationen wiederfanden.

Zuletzt erhielten alle ihre Zertifikate, Erinnerungsfotos wurden gemacht und Handynummern für weitere internationale Zusammenarbeit wurden ausgetauscht.

Am Samstag gab es für alle Beteiligten noch die Möglichkeit, an einem Tagesausflug teilzunehmen. Dafür gab es zwei Ziele zur Auswahl, wobei wir uns für die Museumsinsel Seurasaari entschieden und die Geschichte und Natur Finnlands erkundeten.

Damit endete eine Woche voller neuer Begegnungen, Erfahrungen und Ideen für die Schule.

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